Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 02/2014 - page 28

Innovation
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Thüringen gehört beim so genannten
3D-Druck bundesweit zu den führen-
den Regionen. Im Umfeld der Messe
Rapid Tech hat sich im Freistaat Kom-
petenz gebündelt, die gepflegt und ge-
fördert werden muss. Dr.-Ing. Martin
Schilling, Geschäftsführer von 3D
Schilling in Sondershausen fordert in
seinem Gastbeitrag einen Lehrstuhl
für 3D-Druck an einer Thüringer
Hochschule.
Wieviel 3D-Druck
braucht Thüringen?
Kaum eine Woche vergeht, in der nicht
die Medien eine neue Anwendung oder
eine neue Vision zum 3D-Druck publi-
zieren. Vieles ist konkret und nachvoll-
ziehbar, anderes ist rein spekulativ. Ein
3D-Drucker auf der Weltraumstation ISS
ist vorstellbar, aber ein 3D-Drucker, der
eingefangenen Asteroiden vor Ort im
Weltraum zu Raumschiffen umarbeitet
... Nicht jede Vision ist machbar und
nicht alles, was machbar ist, wird auch
gebraucht. Die Gegenwart ist auch so
spannend genug: der 3D-Druck für je-
den immer greifbarer, 3D-Drucker wer-
den im Handel zu erschwinglichen Prei-
sen angeboten und wer sich einen
Drucker selber bauen will, findet im
Internet eine Vielzahl von Bauanleitun-
gen. Eine Idee schnell mit dieser Tech-
nik in ein Modell zu wandeln, motiviert.
Die Vielfalt der Anwendungen für privat
ist verblüffend. Wer selbst keine 3D-
Daten erstellen kann, der sucht sich
welche im Internet. Dort findet man
nützliche Dinge, aber auch Stehrum-
chen und Hinhängchen in ungeahnter
Menge. Fast glaube ich, dass Sprichwort
„Die Axt im Haus erspart den Zimmer-
mann“ braucht eine Modernisierung
„Der 3D-Drucker im Haus erspart ...“
Aber bis dahin ist noch ein gutes Stück
Weg. Der 3D-Drucker allein macht noch
kein Modell. In Fablab`s (Fabrikations-
labore für privat) kann man verschiede-
ne 3D-Drucker kennenlernen und alles
rund um den 3D-Druck von Gleichge-
sinnten lernen. Es lässt sich herrlich darüber philoso-
phieren, wie oft und wie viel 3D-Druck braucht der pri-
vate Mensch wirklich. Je nachdem ob man Visionen,
Maschinen, Material oder Dienstleistungen verkauft,
fallen die Antworten unterschiedlich aus. Aber ist die
Antwort wichtig? Wichtig ist für mich, dass der 3D-
Druck gerade für junge Leute ein Einstieg in die bun-
te und vielfältige Welt der Technik sein kann.
Seit 1993 arbeite ich auf dem Gebiet des 3D-Drucks,
unsere erste Stereolithografiemaschine eröffnete uns
diese neue Welt, die damals noch Rapid Prototyping
hieß. Die Technik, direkt aus 3D-Daten schichtweise
Körper herzustellen, war schnell und genau. Als Inge-
nieurbüro ergaben sich für uns neue Möglichkeiten.
Quasi über Nacht bauten wir, was wir tagsüber kon-
struierten. Das überzeugte unsere Kunden und es hat-
te einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung
meines Unternehmens. Der Schritt vom dem Anschau-
ungsmodellen zu Funktionsmodellen und damit zu
belastbaren Teilen wurde zunächst nur durch Folge-
verfahren wie Vakuumguss möglich. Ab Ende der
90er-Jahre etablierten sich Lasersintern und Strahl-
schmelzen und belastbare Teile konnten direkt her-
gestellt werden. Mit jeder neuen Gerätegeneration,
mit vielen Materialentwicklungen wurden die Pro-
dukte praxistauglicher.
Der 3D-Druck überwand Grenzen der subtraktiven
Fertigung (Schleifen, Fräsen, Drehen, Erodieren), die
Einschränkungen des Spritzguss durch die Entform-
barkeit wurden Nebensache. Der alte Ingenieurgrund-
satz „immer weniger Teile“ scheint auf den 3D-Druck
gewartet zu haben: Komplexe Körper mit neuen
Eigenschaften sind möglich, Materialanhäufungen
aus Fertigungsgründen sind nicht mehr notwendig,
Tragwerkstrukturen geben den Teilen Stabilität und
Leichtigkeit. Nichts scheint unmöglich, ist unmöglich.
Der 3D-Druck macht sich auf den Weg, die Produktion
zu erobern. Oder sagen wir besser, sich in diese zu in-
tegrieren.
In Thüringen ist der 3D-Druck stark vertreten.
Unternehmen setzen 3D-Druck für die Herstellung ih-
rer Produkte ein, fast jedes 3D-Druck-Verfahren befin-
det sich im Angebot der Thüringer Dienstleister. Die
Ausrüstung der wissenschaftlichen Einrichtungen mit
3D-Druckern ist vielfältig und die Konferenzmesse
Rapid Tech in Erfurt ist ein Highlight
des Informationsaustausches. Das Netz-
werk der Thüringer Prototyper ist aktiv
und bringt fast alle Thüringer 3D-
Druck-Akteure zusammen. Und trotz-
dem fehlt etwas Wesentliches: Ein
Lehrstuhl für 3D-Druck / die Ausbildung
an einer wissenschaftlichen Einrich-
tung. Auf den Weg des 3D-Drucks in die
Industrie sind nicht nur die „Handwer-
ker“ gefragt sondern auch die Techniker
und Technologen, die Abläufe planen,
Verfahren anpassen und integrieren und
in Verfahrenskombinationen den 3D-
Druck weiter entwickeln. Ich bin der
Überzeugung, dass diese Aufgaben den
gut ausgebildeten wissenschaftlichen
Nachwuchs brauchen und der für viele
Unternehmen immer wichtiger wird.
Eine Professur, ein Lehrstuhl stellt auch
einen Kristallisationspunkt für die viel-
fältigen Aktivitäten und Ideen dar. So
können durch beispielhafte Lösungen
Anregungen für neuartige Maschinen-
und Anlagenkonzepte gegeben werden
und die Industrie hat einen festen
Anlaufpunkt. Die Rasanz der Entwick-
lung des 3D-Drucks fordert die regiona-
le Nähe von Forschung und Lehre zur
Industrie.
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Dr.-Ing. Martin Schilling,
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Geschäftsführer 3D Schilling
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Foto: 3D Schilling
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