Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 02/2014 - page 30

Fach- und Führungskräfte
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Vom 9. bis 11. Mai treffen sich junge Unternehmer und Führungskräfte in Erfurt zur Mitteldeutschen Regionalkonferenz (MiRKo). Hier
wollen sie Erfahrungen austauschen und Netzwerke knüpfen. Inhaltlich geht es unter anderem auch um das Werteverständnis der
Wirtschaftsjunioren. Der WIRTSCHAFTSSPIEGEL hat sich im Vorfeld mit Christian Wewezow, dem Bundesvorsitzenden der
Wirtschaftsjunioren, über junges Unternehmertum und dessen Wertekanon unterhalten.
„Wir brauchen ein
positives Unternehmerbild“
Was ist junges Unternehmer-
tum, wer sind die Wirtschafts-
junioren?
Kurz gesagt: Wir sind die jungen
Wilden, aber auch die alten Hasen. Wir
sind mehr als 10.000 Unternehmer und
Führungskräfte unter 40 Jahren. Man-
che stehen ganz am Anfang ihrer Kar-
riere, andere sind schon seit 20 Jahren
selbstständig. Wir sind global vernetzt,
und als größtes Netzwerk junger Wirt-
schaft in Deutschland mit rund 210 Mit-
gliedskreisen vor Ort präsent. Wer bei
uns mitmacht, engagiert sich im Beruf
– will aber auch darüber hinaus etwas
bewegen. Zusammen verantworten wir
rund 300.000 Arbeitsplätze, 35.000
Ausbildungsplätze und mehr als 120
Milliarden Euro Umsatz.
Was machen junge Unter-
nehmer und Führungskräfte
anders als die „alten Haudegen“
in der Wirtschaft?
Uns charakterisiert unser Leistungs-
und Gestaltungswille – und ein ge-
meinsames Ziel: Wir wollen den Stand-
ort Deutschland aktiv weiterentwickeln,
Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit
sichern. Dafür denken wir weiter –
nicht nur bis zum nächsten Jahresab-
schluss. Wir stellen nicht nur Forderun-
gen an die Politik, wir handeln und tref-
fen tagtäglich Entscheidungen, die
unsere Gesellschaft verändern. Fach-
kräftemangel und demografischer Wan-
del sind keine Zukunftsmusik, sondern
Tagesgeschäft. Das betrifft auch unse-
re Verantwortung als junge Europäer.
Wir sehen mit Besorgnis, wie in vielen
europäischen Ländern die Jugendar-
beitslosigkeit unerwartete Dimensio-
nen annimmt. In Deutschland klagen wir über Fach-
kräftemangel, vergleichsweise das kleinere Problem.
Diese Situation ist auf eine entschiedene Politik zu-
rückzuführen, für deren Umsetzung wir dankbar sind.
Es ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, wie man
auch nur darüber nachdenken kann, jetzt den Rück-
wärtsgang einzulegen und die gemachten Reformen
zurückzudrehen. Um es auf den Punkt zu bringen: wir
wollen keine Mentalität des Erntens, sondern auf Kurs
bleiben. Damit die junge Generation überall in Europa
eine Chance auf eine gute Zukunft hat.
Nehmen wir nur zwei Schlagworte: Ehrbarer
Kaufmann und Wertschätzung gegenüber
Mitarbeitern und deren Arbeit. Welche Rolle
spielen solche althergebrachten Werte in
Ihrem Handeln als junge Unternehmer?
Im internationalen Ranking genießt der Unternehmer
in Deutschland noch einen vergleichsweise guten Ruf.
In einer Umfrage in den Ländern der Europäischen
Union vertraten 82 Prozent der Deutschen die Mei-
nung, dass Unternehmer neue Produkte und Dienst-
leistungen schaffen, von denen alle profitieren, im eu-
ropäischen Durchschnitt waren es nur 78 Prozent der
Befragten. Trotz positiver Grundeinstellung haben die
Wirtschafts- und Finanzkrise sowie unredliches
Handeln Einzelner dazu geführt, dass Unternehmer in
Deutschland einen schweren Stand haben. Wer seine
persönlichen Interessen über die der Gesellschaft, die
seiner Mitarbeiter und damit letztlich auch über die
seines eigenen Unternehmens stellt, der steht außer-
halb unserer Werte. Wir stehen für Verantwortungs-
bewusstsein, Integrität und nachhaltiges Handeln.
Erfolgreiches Unternehmertum in der sozialen Markt-
wirtschaft ist für uns die Basis für Wohlstand,
Fortschritt und gesellschaftlichen Frieden. Deshalb
setzen wir uns ein für unternehmerische Freiheit,
mehr Unternehmergeist in der Gesellschaft und mehr
Vertrauen in Unternehmertum. Und für Unternehmen,
die die Menschen in den Mittelpunkt stellen. Und um
eines klar zu stellen: Flexibilität darf keine Einbahn-
straße sein. Als Unternehmer müssen wir unseren
Mitarbeitern ebenso flexible Arbeitsbe-
dingungen bieten, um die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf oder ehrenamtli-
ches Engagement zu erleichtern. Dazu
gehört auch die Anerkennung von Qua-
lifikationen, die im Ehrenamt oder in
der Familienarbeit erworben wurden.
Als Wirtschaftsjunioren beschränken wir
uns hierbei nicht auf politische Forde-
rungen, sondern wir gehen – mit unse-
ren zahlreichen Projekten vor Ort in den
Kreisen sowie jedes einzelne Mitglied
in seinem Unternehmen – mit gutem
Beispiel voran. Ganz im Sinne unseres
Selbstverständnisses als ehrbare Unter-
nehmer und Führungskräfte.
Aus Ihrer Sicht: Was muss
sich am Wertekanon des
Wirtschaftslebens ändern?
Als rohstoffarmes Land ist Deutschland
auf kluge Köpfe und innovative Ideen
dringend angewiesen. Das heißt, wir
brauchen Bildung, Bildung, Bildung.
Und es muss sich wieder lohnen, zu
gründen. Bei gleichbleibender Grün-
dungstendenz wird es in Deutschland
im Jahr 2050 demografiebedingt über
eine halbe Million Selbstständige weni-
ger geben, kalkuliert der Gründerreport
des Deutschen Industrie- und Handels-
kammertages (DIHK). Der DIHK geht da-
von aus, dass es im vergangenen Jahr
insgesamt weniger als 400.000 Exis-
tenzgründungen gegeben hat – und
damit so wenig Gründungen wie in kei-
nem Jahr zuvor seit der Wiedervereini-
gung. Hier müssen wir dringend gegen-
steuern! Und das bereits bei den jungen
Menschen in unseren Schulen und
Universitäten. Wir Wirtschaftsjunioren
plädieren daher dafür, dass möglichst
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