Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 02/2014 - page 32

Fach- und Führungskräfte
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Silvio Kabsch ist Leiter der Erfurter Niederlassung
von DID Industriedienstleistungen GmbH. In sei-
nem Gastbeitrag äußert er sich zu ethischen Maß-
stäben, die in der modernen Wirtschaft gelten soll-
ten.
Für unsere Arbeit müssen
ethische Maßstäbe gelten
Es ist viel vom Wandel in der Zeitar-
beitsbranche die Rede. Ich persönlich
glaube, dass dahinter ein grundlegen-
der Wandel in der Wirtschaftskultur
steckt, der Herausforderungen für alle
mit sich bringt. Uns allen muss klar sein,
dass alle Akteure in der Wirtschaft eine
Verantwortung für das Ganze haben. Es
ist eine Binsenweisheit: Unternehmer
haben Verantwortung für ihre Mitarbei-
ter. Für mich heißt das auch: Ich darf
Mitarbeiter nicht als austauschbare
Größe betrachten. Ich muss ihre Arbeit
wertschätzen.
Als Konsequenz bedeutet das: Entleiher
und Verleiher müssen ehrlich miteinan-
der umgehen. Anforderungen und Fä-
higkeiten müssen intensiver miteinan-
der abgestimmt werden. Besonders bei
großen Verleihern kann das von Stand-
ort zu Standort variieren. Wenn jemand
als Verleiher behauptet, jeder Standort
beherrscht alle Berufsgruppen, dann
werde ich misstrauisch. Wir sind Agen-
turen, die ein Bindeglied zwischen Un-
ternehmen und Arbeitnehmern darstel-
len und helfen wollen, Synergien zu
schaffen und zu nutzen.
Entleiher wie Verleihunternehmen ha-
ben nach meiner Auffassung beide eine
große Verantwortung im oben beschrie-
benen Sinne. Ich erlebe es immer wie-
der, dass sich Personaldienstleister als
reine Lieferanten betrachten und be-
trachtet werden. Ich erlebe es ebenfalls,
dass Bonus- oder Nachlassvereinbarun-
gen über ein bestimmtes Kontingent an
Mitarbeitern verhandelt werden. So ei-
nen Umgang darf es mit Menschen nach
meinem Verständnis nicht geben.
Hierbei darf man nicht vergessen, dass
auch die Mitarbeiter eine Verant-
wortung für den Erfolg des Unter-
nehmens haben. Arbeitnehmer müssen
verstehen, dass mit einer Erhöhung der
einhergehen. Wenn zum Beispiel die
Konjunktur bundesweit lahmt, dann
müssen Öffnungen auch bei den
Mindeslohn-Regelungen möglich sein.
Deutschland hat bewiesen, dass das
geht. Ich denke nur an die Regelungen
zum Kurzarbeitergeld in den Zeiten der
Wirtschafts- und Finanzkrise. Hier ha-
ben Politik, Wirtschaft und Arbeitneh-
mer bewiesen, dass Einsicht in objekti-
ve Notwendigkeiten, Kompromiss-
fähigkeit und gegenseitiges Verständnis
für die Belange des Anderen zu ver-
nünftigen Ergebnissen führt.
Betrachten wir die aktuelle Debatte um
die deutschen Außenhandelsüberschüs-
se, so stellen wir fest, dass immer mehr
– auch deutsche – Wirtschaftsexperten
zu der Überzeugung gekommen sind,
hier besteht ein Ungleichgewicht, das
Auswirkungen auf die Weltwirtschaft
hat. Sie empfehlen eine Ankurbelung
der Binnennachfrage in Deutschland.
Das heißt für mich: Eine Kaufkrafterhö-
hung ist volkswirtschaftlich sinnvoll.
Gegner dieser Auffassung verweisen auf
den drohenden Verlust von Arbeitsplät-
zen. Ich denke, Unternehmen, die bisher
nur über Preiskampf überlebt haben,
werden dann womöglich am Markt kei-
ne Chancen mehr haben. Das könnte in
der Übergangszeit einige Probleme mit
sich bringen. Mittelfristig glaube ich je-
doch an positive Impulse für die
Gesamtwirtschaft und Gesellschaft als
Ganzes. Nicht zuletzt erzielen wir da-
durch auch höhere Beitragseinnahmen
in die sozialen Sicherungssysteme.
Ich bin fest davon überzeugt: Die
Motivation der Mitarbeiter wird steigen,
wenn sie den Rückhalt der Unterneh-
mer, die Möglichkeit zur Mitgestaltung
von Unternehmenskulturen haben und
mit ihrer Arbeit ein auskömmliches Ein-
kommen erzielen.
Einkommen auch eine erhöhte Verantwortung und
Treuepflicht gegenüber dem Unternehmer einhergeht.
Mitarbeiter sollten für verschiedene unternehmerische
Belange und Denkweisen hinzugezogen werden, da-
mit sie eine Chance haben, Verständnis für unter-
nehmsstrategische Entscheidungen zu entwickeln.
Ich bin ein strikter Verfechter von Mindestlöhnen. Um
es ganz deutlich zu sagen: Ich glaube sogar, dass sie
höher, dafür aber flexibler sein müssen. Eine Vollzeit-
stelle sollte zirka 1.500 Euro brutto einbringen. Wir
müssen Menschen in die Lage versetzen, mit dem
Verdienst aus einer Vollzeitstelle ihren eigenen
Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich weiß sehr wohl,
dass diese Einstellung für den Vertreter eines Zeit-
arbeitsunternehmens eher ungewöhnlich ist. Sie
speist sich jedoch durch den Blick auf die Realität. Alle
reden davon, dass zum Beispiel Mieten und Energie-
kosten immer weiter steigen. Die Einkommen müssen
nach meiner Auffassung mit dieser Entwicklung
Schritt halten, sonst gefährden wir den sozialen
Frieden im Land.
Damit muss allerdings auch eine gewisse Flexibilität
Foto: DID Industriedienstleistungen
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